Start 1/2020 HEILUNG AUS DEM SUPERMARKT

HEILUNG AUS DEM SUPERMARKT

von Nicole Bichler

VIELE MENSCHEN VERSPRECHEN SICH VON FREI VERKÄUFLICHEN PRÄPARATEN, DASS SIE ERKRANKUNGEN LINDERN ODER HEILEN. DOCH NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL SOLLEN UND KÖNNEN GENAU DAS GAR NICHT LEISTEN.

Der Markt für Nahrungsergänzungsmittel (NEM) wächst. Die Kapseln, Tabletten oder Ampullen enthalten vielversprechende Inhaltsstoffe: Vitamine, Mineralstoffe, Aminosäuren, Fettsäuren, Ballaststoffe oder Pflanzenbestandteile. Von der Einnahme erhoffen sich viele Menschen eine gesundheitsfördernde Wirkung.

Der Definition nach sind NEM jedoch Lebensmittel – und als solche lediglich „zur Ergänzung der allgemeinen Ernährung von Gesunden“ vorgesehen. Sie dürfen im Körper gar keine heilende oder lindernde Wirkung entfalten, da sie sonst Arzneimittel wären. Werbung mit Aussagen, die sich auf Linderung, Heilung oder Vorbeugung von Krankheiten beziehen, ist daher verboten.

Klartext zu »NEM«

Die Verbraucherzentralen haben ein Projekt zur Aufklärung über NEM entwickelt, das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert wird und alle wichtigen Informationen enthält: www.klartext-nahrungsergaenzung.de.

Gesundheitliche Risiken

NEM unterliegen nicht wie Arzneimittel einer Zulassungspflicht. Die Verantwortung für die Sicherheit der Produkte liegt bei Hersteller und Vertreiber. Verbindliche Höchstmengen für Inhaltsstoffe von NEM gibt es weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene. Facharztverbände und Verbraucherschützer warnen deshalb vor gesundheitlichen ­Risiken, die mit der Einnahme von NEM verbunden sind:

  • Hersteller von NEM überschreiten oft die von den ärztlichen Fachgesellschaften empfohlenen Höchstmengen von ­Inhaltsstoffen.
  • Enthaltene unterschiedliche Nährstoffe können sich in ihrer Wirkung gegenseitig negativ beeinflussen.
  • Eine Wechselwirkung mit Arzneimitteln ist möglich, zum Beispiel mit sogenannten Blutverdünnern oder Diabetes-­Medikamenten.
  • Gelenkmittel können Krebs­tier- oder Fischeiweiß enthalten, was für Menschen mit einer entsprechenden Allergie gefährlich ist.
  • Welche Vitamine und Mineralstoffe enthalten sein dürfen, ist gesetzlich geregelt – nicht aber „sonstige Stoffe“ wie Pflanzen- und Kräuterextrakte.
  • Bei wasserlöslichen Vitaminen wie Vitamin C und B-Vitaminen gilt nicht, dass man einfach wieder ausscheidet, was man zu viel davon aufgenommen hat. Bei bestimmten B-Vitaminen wie B12 und B8 wurde laut Verbraucherzentrale ein Zusammenhang zu einem erhöhten Lungenkrebsrisiko festgestellt.
  • Fettlösliche Vitamine wie A, D und E können bei Überdosierung eine giftige Wirkung haben. Hier ist ebenfalls Vorsicht geboten.

Auf der sicheren Seite ist, wer NEM nur in Rücksprache mit dem Arzt einnimmt.

Vorsicht bei Krebstherapie!

Eine 2019 veröffentlichte Studie ergab ein um 41 Prozent erhöhtes Rezidivrisiko und ein um 40 Prozent höheres Sterberisiko, wenn Brustkrebspatienten vor oder während einer Chemotherapie Antioxidantien wie Vitamin A, C und E, Beta-Karotin oder Coenzym Q10 einnahmen. Die Anwendung von Vitamin B12, Eisen oder Omega-3-Fettsäuren zeigte ähnlich ­negative Folgen.

Quelle: Im „Journal of Clinical Onco­logy“ erschienene Studie unter 1134 Probanden mit Brustkrebs von Medizinern der Southwest Oncology Group um Dr. Christine Ambrosone vom Rosewell Park Comprehensive Cancer Center in Buffalo, New York, USA.

 

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