Start 1/2022 MEHR BALLAST, BITTE!

MEHR BALLAST, BITTE!

von Nicole Bichler

BALLASTSTOFFE SIND FÜR UNSERE GESUNDHEIT UNVERZICHTBAR. DOCH IM DURCHSCHNITT NEHMEN WIR GERADE MAL DIE HÄLFTE DER EMPFOHLENEN MENGE AUF. DABEI IST DIE VERSORGUNG MIT DEN PFLANZENSTOFFEN EINFACH UND STEIGERT SCHNELL DAS WOHLBEFINDEN.

Ein reibungslos funktionierender Stoffwechsel und eine gute Verdauung gehören unbedingt zu einem Rundum-Wohlgefühl. Deshalb ist es wichtig, ausreichend Ballaststoffe – mindestens 30 Gramm pro Tag – mit der Nahrung aufzunehmen. Diese pflanzlichen Faser- und Quellstoffe stimulieren die Darmtätigkeit und helfen, die Risiken für einige Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht, Diabetes oder Bluthochdruck zu reduzieren. Es gibt die Multitalente als wasserlösliche und -unlösliche Stoffe.

Unlösliche Ballaststoffe

Sie sind vor allem in Vollkornprodukten, Getreide, Pilzen und Hülsenfrüchten enthalten. Mit ausreichend Flüssig- keit genossen – und die ist wichtig! – quellen sie im Magen auf und machen uns richtig satt. Das Volumen regt die Bewegung des Darms an und lockert den Stuhlgang. So haben Verstopfung und Hämorrhoiden keine Chance.

Lösliche Ballaststoffe

Obst und Gemüse sind die Hauptlieferanten für lösliche Ballaststoffe, die in erster Linie auf unseren Stoffwechsel einwirken. Sie senken Blutfettwerte, normalisieren den Zuckerstoffwechsel und helfen, Cholesterin auszuscheiden. Außerdem dienen lösliche Ballaststoffe als Nahrung für die lebenswichtigen Mikroorganismen im Darm, unser Bollwerk gegen schädliche Eindringlinge. Eine einseitige Ernährung mit zu wenig Ballaststoffen schwächt deshalb das Immunsystem.

Entzündungshemmer anfüttern

Dass Pflanzenfasern in der Nahrung auch hilfreich sind, um Entzündungen im Körper zu lindern, legen Untersuchungsergebnisse des Universitätsklinikums Erlangen aus dem Jahr 2020 nahe. Die Fasern liefern essenzielles „Futter“ für bestimmte Darmbakterien, die in der Lage sind, antientzündliche Substanzen, sogenannte kurzkettige Fettsäuren, zu bilden. Diese gelangen über die Schleimhaut ins Blut und können beispielsweise in den Gelenken entzündungshemmend wirken.

Ballaststoffe verdanken ­ihren Namen übrigens der ­Tatsache, dass sie ­weitgehend unverdaulich sind und auch für die ­Energiegewinnung nicht ­genutzt werden können: ­Reiner Ballast, so dachte man deshalb früher.

„Eine Verbindung von Darm und Gelenken ist seit Langem bekannt, und Ärzte beobachten immer wieder, dass es bei einer Darminfektion zu einer Gelenkentzündung kommt. Auch haben umgekehrt Rheumapatienten häufig eine Barrierestörung im Darm“, erläutert Prof. Dr. Georg Schett, der am Universitätsklinikum Erlangen die Klinik für Rheumatologie und Immunologie leitet. 2020 wurde untersucht, ob diese entzündungslindernden Bakterien angefüttert werden können – eine kleine Studie über 30 Tage brachte ein positives Ergebnis bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (Nutrients 2020; 12:3207). Das funktioniere aber nur, wenn genügend Pflanzenfasern in der Nahrung enthalten seien, so Prof. Dr. Schett. Jetzt gilt es zu erforschen, ob die ballaststoffreiche Kost auch langfristig Beschwerden durch entzündliche Prozesse im Körper lindern kann.

Langsam steigern

Wer bisher nur wenig Ballaststoffe auf dem Speiseplan hatte, leidet oft unter Blähungen oder einem Völlegefühl, wenn die Zufuhr zu schnell gesteigert wird. Der Körper muss sich erst an die Pflanzenstoffe gewöhnen, und auch die Zusammensetzung der Darmflora muss sich anpassen. Gründliches Kauen, viel trinken und Bewegung helfen bei der Umstellung.

Achtung: Ballaststoffe können die Aufnahme bestimmter Medikamente – beispielsweise von Schmerzmitteln oder Cholesterinsenkern – im Darm verzögern. Zur Sicherheit sollten Sie einen zeitlichen Abstand von mindestens zwei Stunden zwischen Einnahme und Mahlzeit einhalten.

Blätter mit Tabellen

DIE TABELLE „BALLASTSTOFFANALYSE“
der ehemaligen Bundesanstalt für Getreide-, Kartoffel- und Fettforschung (heute: Max Rubner-Institut, Karlsruhe) finden Sie unter: www.gmf-info.de/ballaststoffe.pdf

Bildnachweis:
iStockphoto/marilyna, /blackCAT