Start 1/2023 RECHTZEITIG ERKANNT, BESCHWERDEN GEBANNT: SCHILDDRÜSENUNTERFUNKTION

RECHTZEITIG ERKANNT, BESCHWERDEN GEBANNT: SCHILDDRÜSENUNTERFUNKTION

von Nicole Bichler

MÜDIGKEIT, GEDÄCHTNISSCHWÄCHE, GEWICHTSZUNAHME – EINE UNTERFUNKTION DER SCHILDDRÜSE KANN SICH DURCH VIELE VERSCHIEDENE SYMPTOME ÄUßERN, SODASS ES GAR NICHT SO EINFACH IST, DIE RICHTIGE DIAGNOSE ZU STELLEN. DOCH IST SIE EINMAL ERKANNT, LÄSST SICH DIE ERKRANKUNG GUT BEHANDELN.

Illustration Frau sitzt niedergeschlagen am Fenster

Die Schilddrüse ist ein schmetterlingsförmiges Organ, das sich unterhalb des Kehlkopfes an die Luftröhre schmiegt. Sie produziert aus Jod und Eiweiß das lebenswichtige Hormon Trijodthyronin (T3 mit drei Jodatomen) und daraus das zweite Schilddrüsenhormon* Thyroxin (T4 mit vier Jodatomen). „Diese beiden Hormone wirken wie ein Gaspedal im Körper. Sie beschleunigen beispiels­weise den Herzschlag, steigern den Energieverbrauch, erweitern Blutgefäße, sind für viele Wachstumsprozesse verantwortlich und wirken sogar auf die ­Psyche“, so Professor Dr. med. Hans Udo Zieren vom Deutschen Schild­drüsenzentrum in Köln. „Bei einem ­Zuviel an Hormonen (Hyperthyreose) laufen Körper und Seele ,übertourig‘, bei zu wenigen Hormonen (Hypothy­reose) entsprechend ,untertourig‘.“

Symptome einer Unterfunktion

Produziert die Schilddrüse weniger ­Hormone, als der Organismus braucht, liegt eine Schilddrüsenunterfunktion vor. Die Symptome sind vielfältig. ­Typische Anzeichen sind jedoch:

  • Antriebslosigkeit
  • verlangsamte Reflexe
  • Gedächtnisschwäche
  • Müdigkeit
  • depressive Verstimmungen
  • Kälteempfinden
  • Gewichtszunahme und erhöhte ­Blutfettwerte
  • Muskelschwäche und -steifigkeit
  • kühle und blasse, trockene Haut
  • trockenes, brüchiges Haar, ­vermehrter Haarausfall
  • unregelmäßige Monatsblutung bei Frauen
  • Verminderung des Lustempfindens und der Potenz bei Männern

Ursachen der Unterfunktion

Entzündung: Im Erwachsenenalter ist ­eine chronische Schilddrüsenentzündung die häufigste Ursache für die Entwicklung einer Unterfunktion. In der Regel liegt dann die Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis vor, von der vor allem Frauen zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr betroffen sind. Der Körper sieht die Schilddrüse fälschlicherweise als fremdes Gewebe an und beginnt, Antikörper zu produzieren. Dadurch kommt es zu einer chronischen Ent­zündungsreaktion, welche die Schilddrüse schädigt und allmählich zerstört. Sie produziert immer weniger Hormone, und es entsteht eine Schilddrüsenunterfunktion.

Störung im Regelzentrum: Eine gesunde Schilddrüse produziert pro Tag etwa ­80 bis 100 Mikrogramm T4 und 10 bis 50 Mikrogramm T3. Wann und in welcher Menge die Drüse eingespeicherte Hormone dem Körper zur Verfügung stellt, wird vom Gehirn gesteuert: vom Hypothalamus (ein Teil des Zwischenhirns) und von der Hypophyse (Hirnanhangdrüse). Sind zu wenige Schild­drüsenhormone im Blut, regt der Hypothalamus die Hypophyse an, mit einem ­stimulierenden Hormon (TSH) die Schilddrüse zur Arbeit zu aktivieren. Hierbei kann es zu Störungen kommen.

Angeborene Unterfunktion: Von ihr ist etwa eines von 4.000 Neugeborenen betroffen. Um bleibende Schäden im Nervensystem des Säuglings zu ver­hindern, ist die Früherkennung
und -behandlung äußerst wichtig. ­In Deutschland ist deshalb eine Screening-Untersuchung für alle Neuge­borenen vorgeschrieben. Ent­wickelt sich eine Unterfunktion im Kindesalter, zeigt sich das häufig darin, dass die Kinder ungern essen und trinken, sich ihr Wachstum oder auch ihre geistige und motorische Entwicklung verzögert.

Eine weitere, in Deutschland seltene Ursache ist ein Jodmangel in der ­Ernährung, der auch zur Bildung eines Kropfes führen kann. Dann wird zusätzliches Jod verabreicht. Außerdem haben etwa vier bis zehn Prozent ­aller Frauen nach einer Entbindung ­eine Unterfunktion der Schilddrüse, die dann aber auch nur vorübergehend sein kann.

Abbildung Schilddrüsenorgan

So wird die Krankheit ­festgestellt ...

Um einer Unterfunktion auf die Spur zu kommen, fragen Ärzte zunächst nach den Beschwerden und tasten die Schilddrüse ab. Mit einem Bluttest lässt sich erkennen, ob der TSH-Wert erhöht ist – dann hat die Hirnanhangdrüse die Schilddrüse bereits stimuliert. Mittels Ultraschall können darüber hinaus Größe und Farbe der Schilddrüse bestimmt werden.

Portrait von Dr. Hans Udo Zieren

Prof. Dr. Hans Udo Zieren ­leitet als Chefarzt die Spezial­klinik für Schild­drüsen- und Nebenschild­drüsenchirurgie im Sana-­Krankenhaus in Köln-Hürth.

... und behandelt

Auch wenn die Krankheit gewöhnlich nicht heilbar ist, kann sie gut behandelt werden. In der Regel gilt es, den Hormonmangel auszugleichen. Dafür nehmen Patienten Schilddrüsenhormone in Tablettenform ein. Diese Therapie muss ein Leben lang und ­ohne Unterbrechung erfolgen. Sie ­lindert oder beseitigt die Beschwerden, sodass das Leben völlig normal verlaufen kann.

* Neben den eigentlichen Schild­drüsenhormonen Thyroxin und Trijodthyronin wird in der Schilddrüse in den sogenannten C-Zellen auch noch das Hormon Calcitonin gebildet. Dieser Botenstoff beeinflusst zum Beispiel den Calcium- und Knochenstoffwechsel.

Bildnachweis:
iStock/Elena Kalinicheva, /peakSTOCK, /magicmine, Sana-Krankenhaus Hürth GmbH