Start 3/2020 SÜSSES – LUST UND LAST

SÜSSES – LUST UND LAST

von Nicole Bichler

SÜSSES REGISTRIERT UNSER GEHIRN ALS BELOHNUNG. DESHALB WOLLEN WIR MEHR DAVON, AUCH WENN ES UNS NICHT GUTTUT. GESUNDHEIT RÄUMT MIT EINIGEN MYTHEN AUF UND ERLÄRT, WEI MAN ZUCKER REDUZIEREN KANN.

Ideal und Praxis gehen beim Zuckerkonsum weit auseinander: Höchstens 50 g Zucker täglich – so mahnen Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Doch wir bringen es im Durchschnitt locker auf die doppelte Portion. Mit der genehmigten Höchstmenge ist „freier Zucker“ gemeint. Das ist der Zucker, mit dem wir oder Nahrungsmittelproduzenten natürliche Lebensmittel süßen. Der Zucker, der von Natur aus in Lebensmitteln vorkommt, ist nicht mit eingerechnet. Gerade Obst aber enthält Zucker – im Übermaß Bananen, Trauben und Äpfel zu naschen, ist also auch nicht ratsam.

Zucker reduzieren – so geht‘s

Bei allem, was man selbst zubereitet, ist es leicht zu steuern: Lassen Sie bei Dessert- und Backrezepten zuerst zehn, beim nächsten Mal 20 Prozent der angegebenen Zuckermenge weg – oft schmeckt das genauso gut. Grundsätzlich ist Geschmack ein Lernprozess: Wir mögen Süßes, aber es muss nicht ultrasüß sein. Wer bei seinen Speisen und Getränken die Zuckerdosis langsam herunterfährt, merkt mit „neutralisierten“ Geschmackszellen erst, wie übersüß viele Lebensmittel sind. Und damit wären wir in dem Bereich, bei dem das Zucker-Management deutlich aufwendiger ist: Viele verarbeitete Lebensmittel enthalten jede Menge Zucker. Bei einem Fruchtjoghurt oder einem Knuspermüsli ist das naheliegend, aber auch in vielem Herzhaften wird Zucker als billiger Füllstoff und Geschmacksträger eingesetzt – vom Ketchup über Fertiggerichte bis zum Rotkohl im Glas. Hier bleibt tatsächlich nur, die Nährwerttabellen auf den Produktverpackungen zu prüfen, denn es gibt durchaus Unterschiede zwischen den Herstellern.

Zucker hat viele Namen

Zucker und zuckerreiche Zutaten kommen in vielen chemischen Formen und mit unterschiedlichen Bezeichnungen daher: Saccharose, Dextrose, Raffinose, Glukose, Maltodextrin etc. Die müssen Sie sich nicht alle merken. Schauen Sie einfach auf die Nährwerttabelle. Darin muss der Hersteller – immer bezogen auf 100 Gramm – den Anteil der Kohlenhydrate angeben und wie viel davon Zucker ist. Unter diese Zucker- definition fallen alle Einfach- und Zweifachzucker. Beide schmecken süß und gehen schnell ins Blut. Mehrfachzucker sind hingegen Kohlenhydrate, etwa in Kartoffeln und Vollkornprodukten, die der Körper nur langsam verstoffwechselt.

VORSICHT FRUKTOSE!
Die Bezeichnung „Fruchtzucker“ lässt erwarten, dass es sich hier um eine besonders natürliche Zuckerart handelt – stimmt auch, solange man sie zum Beispiel mit einem ­Apfel aufnimmt. Doch Fructose lässt sich auch industriell herstellen, und in verarbeiteten Produkten ist sie ­wegen ihrer hohen Süßkraft und Insulin­resistenz besonders für die ­Leber problematisch.

Wasserglas mit Zitronen und Minze

Ungesüßt trinken
Wer es schafft, auf süße Getränke (einschließlich Fruchtsaft!) zu verzichten, hat schon einiges erreicht. In flüssiger Form können wir eine ­Menge Kalorien aufnehmen, ohne dass sich die entsprechende Sättigung einstellt.

Und was ist mit Honig und Co?

Um den weißen Haushaltszucker zu vermeiden, greifen viele zu braunem Rohrzucker, Honig, Ahornsirup, Agavendicksaft oder – der neueste Trend – Kokosblütenzucker. Für eine andere Geschmacksnote völlig okay – aber gesünder sind auch diese Süßen nicht unbedingt. Ernährungsphysiologisch wirken sie ähnlich wie gewöhnlicher Zucker, und der Anteil an Vitaminen und Mineralstoffen darin ist zu vernachlässigen. Agavendicksaft ist wegen seines hohen Fructoseanteils (siehe Kasten) eher nicht empfehlenswert.

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