Start 3/2023 VOM REIZ ZUM SCHMERZ

VOM REIZ ZUM SCHMERZ

von Nicole Bichler

SCHMERZEN GEHÖREN ZUM LEBEN, SIE HABEN SOGAR EINE WICHTIGE WARNFUNKTION UND SOLLEN DEN KÖRPER VOR SCHÄDLICHEN EINFLÜSSEN SCHÜTZEN. DOCH WIE ENTSTEHEN SIE EIGENTLICH?

Ein kleiner Schnitt in den Finger oder ein Sturz – in der ­Regel sind es Verletzungen oder Entzündungen, die im Körper einen „schwellenüberschreitenden“ Reiz auslösen. Dieser Reiz wird von Nervenfasern mittels spezieller ­Rezeptoren wahrgenommen, die auch Schmerzrezeptoren oder Nozizeptoren genannt werden. Sie haben zwei lange Ausläufer: Das eine Ende fungiert als Sensor und sitzt in der Haut, in Gelenkkapseln und Organen. Das andere ­Ende führt zum Rückenmark.

Nozizeptoren: doppelt verschaltet

Im Rückenmark sind die Nozizeptoren einerseits mit motorischen Nervenfasern verbunden, die eine schnelle Reflexreaktion auslösen – wir lassen den heißen Topfdeckel fallen. Andererseits sind sie mit Nervenzellen verschaltet, die den schmerzauslösenden Reiz ans Gehirn senden. Und obwohl das Gehirn selbst schmerzunempfindlich ist, wird der Reiz erst hier zu einem Schmerz verarbeitet.

Der Thalamus – unsere Schaltzentrale – leitet die Impulse an verschiedene Hirnareale weiter, wo sie ausgewertet und als Schmerz interpretiert werden. Auch die Verknüpfung des Gehirns mit dem limbischen System – das unter ­anderem an der Entstehung von Gefühlen beteiligt ist – spielt eine entscheidende Rolle, um die Intensität des Schmerzes zu bewerten. Wird die Psyche beispielsweise mit angenehmer Musik abgelenkt, während wir uns am Tischbein stoßen, reduziert sich das Schmerzempfinden.

Schmerz, lass nach!

Bei starken Anstrengungen oder in Gefahrensituationen dürfen Schmerzen uns aber nicht handlungsunfähig ­machen. Wenn’s drauf ankommt, produziert unser Körper deshalb auch einige natürliche Schmerzmittel, um Schmerzen zu hemmen oder auszuschalten: Östrogene beispielsweise, welche die Schmerzempfindlichkeit schwangerer Frauen reduzieren. Oder der Organismus schüttet Glückshormone aus, die einen Marathon ermöglichen. ­So „gedopt“ nehmen wir Schmerzen erst wahr, wenn der ­Körper zur Ruhe gekommen oder die Gefahr vorüber ist.

Chronische Schmerzen

Die Entstehung von chronischen Schmerzen ist noch nicht abschließend geklärt. Häufig werden sie zwar durch Verschleißerscheinungen oder Tumoren verursacht – doch auch wenn Schmerzen nicht richtig behandelt werden, können sie immer wieder von Neuem auftreten. Im Gehirn bildet sich dann ein sogenanntes Schmerzgedächtnis. Nicht zu unterschätzen ist der Einfluss der Psyche auf die Entstehung von Schmerzen. Können körperliche Ursachen nicht zweifelsfrei ausgemacht werden, sollten Betroffene sich deshalb nicht scheuen, mit ihrem Arzt auch über ­seelische Belastungen zu sprechen.

MEHR INFOS

Die Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. bietet auf ­ihrer Website www.schmerzgesellschaft.de weiter­führendes Material zum Thema an sowie eine „schmerzApp“, die Sie im Apple Store oder Google Play Store erhalten. Einen schönen, sehr anschaulichen Film zur Schmerzverarbeitung im Gehirn vom Deutschen Kinderschmerzzentrum finden Sie unter www.youtube.com/watch?v=uDtvLEJ9V38

Bildnachweis:
iStock/stefanamer